Das Lied „Hyperions Schicksalslied“ wurde 1799 als Teil von Friedrich Hölderlins Briefroman „Hyperion“ oder „Der Eremit in Griechenland“ veröffentlicht. Es ist der Weimarer Klassik zuzuordnen und idealisiert das Dasein der Götter und stellt ihm das Leidensleben des Menschen gegenüber.
Das Lied hat vierundzwanzig Verse, gegliedert in drei Strophen. Es besitzt keine erkennbare Reimform und hat eine weibliche Kadenz. In der ersten Strophe wird die Schönheit und Seligkeit der Götterwelt beschrieben. Die zweite Strophe beschreibt die Sorglosigkeit und Friedlichkeit des Götterdaseins. In der dritten Strophe wird dem dann das Leiden des Menschen gegenübergestellt.
Der Titel bezieht sich auf den Titan Hyperion aus dem antiken griechischen Glauben, welcher Vater von Helios (Sonne) und Selene (Mond) ist. Wo das Lied selbst Kontrast zwischen Mensch und Gott darstellt, verbindet es diese durch die gemeinsame Thematisierung auch; genau wie auch Hyperion als Vater die Gegenteile Sonne und Mond verbindet.
Im Lied kommt ein Lyrisches Ich vor. Wenn über die Götter gesprochen wird, verwendet Hölderlin die Pronomen „ihr/euch“ (V. 1, V. 4, V. 12), für die Menschen verwendet er aber „wir/uns“ (V. 16). Dadurch werden die Götter weiter von den Menschen distanziert.
Weiterhin fällt bei der Form auf, dass eine fortlaufende Einrückung der Verse vorliegt. Dies wirkt ungewöhnlich und uneinheitlich.
Sprachlich gesehen fällt sofort auf, dass die Sprache sehr bildhaft ist. Es werden viele Vergleiche und Metaphern verwendet. Diese Bildlichkeit verleiht den Aussagen des Liedes mehr Wert.
Außerdem enthält das Lied viele Enjambements, wie z. B. „Die leidenden Menschen; Blindlings von einer; Stunde zur andern“ (V. 19–21). Hierbei werden bestimmte Wörter hervorgehoben, wie hier „Blindlings“ und „Stunde“.
Inhaltlich wird wie bereits erwähnt die Veredlung der Götter dem Leiden des Menschen gegenübergestellt. Mit der Metapher „Glänzende Götterlüfte Rühren euch leicht“ (V. 3–4) wird die Leichtigkeit und Unbeschwertheit der Götter dargestellt. Weiterhin werden die Götter durch Vergleiche idealisiert, wie „Wie die Finger der Künstlerin Heilige Saiten“ (V. 5–6), wobei das Leben der Götter mit der Schönheit und Sinnlichkeit von Musik und Kunst allgemein verglichen wird, oder „Schicksallos, wie der schlafende Säugling“ (V. 7), wobei „schicksallos“ hier als positiv konnotiert angesehen werden muss; es steht für Freiheit und Unbestimmtheit, was aus der Vorstellung kommt, dass die Götter das Schicksal der Menschen bestimmen. Außerdem steht der Säugling für Geborgenheit, Frieden, Ruhe und Unversehrtheit der Götter. Dies wird unterstützt von der darauf folgenden Metapher „Keusch bewahrt In bescheidener Knospe“ (V. 9–10). Zudem werden die Götter als „ewig“ bezeichnet (vgl. V. 11, vgl. V. 15).
Stark im Kontrast dazu stehen die Menschen. Während den Göttern Ruhe und Frieden zugeschrieben wird, ist den Menschen das Gegenteil gegeben; die Metapher „Doch uns ist gegeben Auf keiner Stätte zu ruhn“ (V. 16–17) beschreibt Ruhelosigkeit statt Frieden. Es wird emotionale Sprache verwendet, die Menschen werden als „leidend“ (V. 19) beschrieben. Die Metapher „Es schwinden, es fallen Die leidenden Menschen Blindlings von einer Stunde zur andern“ (V. 18–21) stellt nun eine Machtlosigkeit der Menschen dar, welche der Schicksalslosigkeit der Götter gegenübersteht. Weiterhin indiziert das „Fallen“, dass das Ganze schlecht für den Menschen ausgeht. Weiterhin zeigt der Vergleich „Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen, Jahr lang ins Ungewisse hinab“ (V. 22–24) auch noch die Größe dieser Machtlosigkeit; das Wasser, was gegen die Klippen schellt, hat keine Kontrolle darüber und prallt auch noch mit großer Wucht gegen diese.
Abschließend lässt sich klar zeigen, dass das Gedicht schon mit dem Titel und auch mit der darin stattfinde Idealisierung der Götter typisch für die Weimarer Klassik ist. Der dargestellte Kontrast zwischen Tatsache und Ideal wird dabei bildlich dargestellt.
— Oskar Manhart