Niemand wird als Rassist geboren, Rassismus wird vor allem im Kindesalter ausgebildet. Durch unterbewusste Aufnahme von Stereotypen werden ggf. sogar bleibende Meinungen gebildet.
Deshalb stellt sich die Frage, ob Werke der Kinder- und Jugendliteratur in der Schulbibliothek, welche rassistische Passagen oder Ausdrücke (z.B. das N-Wort) enthalten, entfernt oder durch überarbeite Varianten ersetzt werden sollte.
Gegner dieser Meinung, unter ihnen die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), argumentieren, dass Veränderungen nicht nötig seien. Kritische Einordnung bereits dieser Geschichten durch Eltern, Lehrer und Erzieher stattfänden. Weiterhin wird angeführt, Zensur würde den Rassismus nicht aus der Welt schaffen. Stattdessen plädiert man für kritische Auseinandersetzung auf Seiten der Erziehenden mit den Kindern und für Kommentierung statt Umschreibung. Zusätzlich wird es für wichtig gehalten, Werke aufgrund der Kunstfreiheit originalgetreu zu veröffentlichen. Bei Mark Twains „Die Abenteuer des Tom Sawyer„ beispielsweise entschiedt man sich, das N-Wort nicht zu zensieren und erwähnt in einem Vorwort, dass „[d]ie Verwendung [des N-Wortes] allein der Originalgetreue geschuldet [ist]” und “[e]ine Herabsetzung […] von Verlagsseite in keiner Weise beabsichtigt [ist]“.
Befürworter argumentieren, dass eben aufgrund dessen, dass die Ausbildung von Rassismus bereits im Kindesalter stattfindet vor allem stereotypische Aussagen besser gestrichen werden sollen, da kritische Auseinandersetzung mit solchem Material bei jüngeren Kindern sehr schwer ist. Hierbei werden Einschübe, Fußnoten und Vor- und Nachworte kritisiert; diese seien nicht kindgerecht. Dies führen selbst Gegner an. Auf die Frage, wie man sich das genau vorstellte, antwortet Sprachwissenschaftlerin Heidrun Kämper, eine Gegnerin des Umschreibens, in einem Interview mit SWR Aktuell allerdings, dass sie dies lieber Kinderbuchautoren und Pädagogen überließe.
Zurück zu dem eigentlichen Argument: Umschreiben sei besser, denn die kritische Einordnung und Auseinandersetzung als realistisch umsetzbar zu sehen sei sehr optimistisch.
Nun haben beide Seiten sehr nachvollziehbare Argumente zu diesem Sachverhalt, aber bezogen spezifisch auf eine Schulbibliothek (noch besser: an einer Schulbibliothek eines Gymnasiums) ist Annotation und kritische Auseinandersetzung sehr umsetzbar. Für die Massen (und für jüngere Kinder) mag sich eine umgeschriebene Version mehr anbieten, aber besonders in einer Schule ab eines gewissen Alters ist eine Betrachtung von Originalen, welche rassistische bzw. stereotypische Passagen und Aussagen enthalten sehr interessant. Wenn die Inhalte der Bücher nicht im Unterricht besprochen werden, können die Werke trotzdem in einer als „zu kritisch betrachtend“ gekennzeichneten Abteilung mit Anmerkungen und auch gern ausführlicheren Fußnoten zur Verfügung stehen.